„Menschen sind wichtiger als Strukturen”

15 May 2017
Pfarrer Dr. Kjell Nordstokke während seiner Rede auf dem themenbezogenen Plenum "Menschen – für Geld nicht zu haben" der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes. Foto: LWB/Albin Hillert
Pfarrer Dr. Kjell Nordstokke während seiner Rede auf dem themenbezogenen Plenum "Menschen – für Geld nicht zu haben" der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes. Foto: LWB/Albin Hillert
Vortrag zum Unterthema der Zwölften Vollversammlung „Menschen – für Geld nicht zu haben“

WINDHUK, Namibia, 13. Mai 2017 – „Entlarvt die unmenschlichen Praktiken der Ungleichheit“ appellierte der norwegische Theologe Pfarrer Dr. Kjell Nordstekke appellierte heute an die im namibischen Windhuk versammelten Lutheraner und Lutheranerinnen aus aller Welt.

In seiner Rede zum Unterthema der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB), „Menschen – für Geld nicht zu haben“, sagte Nordstokke, Gottes befreiende Gnade gebe „jedem einzelnen Menschen“ einen inhärenten Wert, der niemals verloren gehen könne,  „wie viele Mächtige und Gewalten ihn auch zunichte machen wollen“.

„Menschen – für Geld nicht zu haben” ist eines der drei Unterthemen der Zwölften LWB-Vollversammlung, die unter dem Hauptthema „Befreit durch Gottes Gnade” stattfindet.

Nordstokke sagte, die Ungleichheit werde nicht nur zwischen den Nationen, sondern auch „innerhalb der Länder” immer größer. Sie sei überall zu spüren, mit dramatischen Folgen in Problembereichen wie Arbeitsbedingungen und Arbeitslosigkeit, Verschuldung, Zwangsarbeit und Menschenhandel, Migration, Korruption und Ausgrenzung. Er verwies auf eine Studie der britischen Hilfsorganisation Oxfam, wonach weltweit acht Personen soviel besitzen wie die 3,6 Milliarden Menschen, die die ärmste Hälfte der ganzen Menschheit ausmachen.

Berufen, anderen zu dienen

Martin Luther habe einen Gesinnungswandel ausgelöst, was den Dienst an den Mitmenschen und die Förderung des Allgemeinwohls betrifft, so Nordstokke. Die Werke der Barmherzigkeit sollten nach Auffassung des Reformators „nicht durch die Mauern kirchlicher Gebäude oder Praktiken beschränkt sein, sondern im Alltag zum Wohle der Nächsten getan werden“, so Nordstokke.

Menschen statt Strukturen

Nordstokke sagte weiter, dass diese Perspektive ein Grundelement des reformatorischen Erbes bleibe.Für eine sich in ständiger Reformation befindliche Kirche (ecclesia semper reformanda) sei sie eine Mahnung, stets für die Auffassung einzutreten, dass Menschen mehr zählen als Strukturen, eingeschlossen die der Kirche.

„Vermitteln wir die Botschaft von Gottes befreiender Gnade so, dass die menschliche Würde gestärkt und die Gläubigen ermutigt werden, ihre Fähigkeiten für den Dienst am Nächsten und das Allgemeinwohl einzusetzen?“ fragte er. „Verurteilen wir politische Richtlinien und Praktiken, die die Menschen nach in der Welt geltenden Maßstäben beurteilen, wie Geld und gesellschaftlicher Stellung, und nicht nach dem, was wir in Gottes Augen sind und wozu wir berufen sind?“

Er unterstrich, wie wichtig es ist, dass die Kirche ihre diakonischen Gaben, ihr Handeln und ihr öffentliches Eintreten dafür nutzt, der gegenwärtigen Situation etwas entgegenzusetzen. Sieben von zehn Menschen leben heute in einem Land, in dem die Ungleichheit in den letzten 30 Jahren größer geworden ist. „Unser auf dem Glauben beruhendes Engagement zwingt uns, das herrschende ökonomische Paradigma in Frage zu stellen, seine unmenschlichen Praktiken zu entlarven“, sagte Nordstokke, der als Professor für Diakonie an der Diakonhjemmet-Universität in Oslo lehrt.

Ein inklusiver öffentlicher Raum

Nordstokke sprach sich für eine „öffentliche Mission” der Kirche aus, die die Schaffung eines inklusiven öffentlichen Raums erleichtert, der „den gleichen Zugang zu Gemeinschaftsgütern und politischen Entscheidungsprozessen gewährleistet und ebenso Sicherheit, insbesondere für Schutzbedürftige, und eine sinnvolle Teilhabe und Zusammenarbeit von allen Gruppen der Gesellschaft“.

Er fügte hinzu, die „Ökonomie” sei zu wichtig, um sie den „Ökonomen“ zu überlassen und wies darauf hin, wie Kirchen sich daran beteiligen können, alternative wirtschaftliche Konzepte zu entwickeln, die nicht auf Wachstum und Profit beruhen. Er hoffe, sagte er weiter, die Vollversammlung werde die einzigartige Gelegenheit bekommen, etwas über die Vorteile und das Potenzial der Initiative für eine Grundeinkommen-Zuwendung zu erfahren, die in Namibia von den Kirchen und der Zivilgesellschaft unterstützt werde, um die Armut im Land zu verringern.

Nordstokke, ehemaliger Direktor der LWB-Abteilung für Mission und Entwicklung, bat weiterhin die Kirchen in der LWB-Kirchengemeinschaft darüber nachzudenken, wie sie einen Beitrag zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung leisten könnten, mit dem „Ziel, niemanden zurückzulassen“.

Zwei Teilnehmende an der Versammlung reagierten mit Beiträgen auf den Hauptvortrag von Nordstokke: Agnieszka Godfrejów Tarnogórska, Mitglied der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen und Regionalkoordinatorin des LWB-Netzwerkes Frauen in Kirche und Gesellschaft in Mittel- und Osteuropa und Adamou Koumanda, Vertreter des Weltdienst-Länderprogramms im Tschad.

Diskussionen über die Unterthemen werden in den Dorfgruppen weitergeführt und werden in die Botschaft der Zwölften Vollversammlung einfließen.

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