WINDHUK, Namibia, 11. Mai 2017 (LWI) – „Es hängt von uns ab, den Erben Martin Luthers, alle Macho-Dämonen, die die Welt beherrschen durch Gottes Wort auszutreiben”, betonte Denis Mukwege vor LutheranerInnen aus aller Welt, die zu ihrer Zwölften Vollversammlung in Windhuk, Namibia zusammen gekommen sind. „Dann können Frauen, die Opfer männlicher Barbarei sind, die Herrschaft Gottes in ihrem Leben erfahren”, sagte der Chirurg aus der Demokratischen Republik Kongo vor den Delegierten des Lutherischen Weltbundes (LWB) am 11. Mai 2017. Wegen seiner Unterstützung für Opfer von Vergewaltigungen ist Mukwege als Kandidat für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden.
Mukwege wurde bekannt durch seinen Einsatz für Würde und Menschenrechte in Afrika, vor allem für Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Für den Arzt ist lutherische Theologie, vor allem, wenn es um die Rolle von Frauen geht, „eine Botschaft der Hoffnung für alle Opfer von moralischer, physischer und sexueller Gewalt”, betonte der prominente Arzt.
„Diese Frauen sind meine Heldinnen”, sagte er. Luthers Botschaft der Inklusion von Frauen habe das Fundament gelegt für die Frauenordination.
Durch sie sei er zu seinem Engagement inspiriert worden, betonte er. Unter lauten Beifallsrufen von den Zuhörern appellierte Mukwege an die Frauen: „Führt die Männer, anstatt sie nachzuahmen. Seid ihr selbst – dies ist die Stärke unserer Kirche und unserer Menschheit.”
Der praktizierende Christ wurde mit einer Reihe von internationalen Preisen ausgezeichnet. Dazu gehören die Auszeichnung für Menschenrechtsarbeit der UN und der Sacharow- Preis für Freiheit. Am Rande der Vollversammlung rief er die Vertreter der lutherischen Kirchen auf, Kampagnen gegen Vergewaltigung zu initiieren. Diese wird im Ostkongo von den Kriegsparteien im Kampf um Rohstoffe wie Coltan gezielt als Waffe eingesetzt, um den Gegner zu demütigen.
Die Grundsatzrede hielt Mukwege zum Motto der Vollversammlung, die am 10. Mai startete und am 16. Mai endet, „Befreit durch Gottes Gnade”. Der Sohn eines Pastors wies darauf hin, dass er wisse, dass die lutherische Kirche sich für die Rechte der Frauen einsetzt. Das Motto bezieht sich auf die Reformation, deren 500. Wiederkehr in diesem Jahr die Delegierten mit einem Gottesdienst im Sam-Nujoma-Stadion in Windhuk feiern.
Sohn eines Pastors
Als Sohn eines Pastors, so Mukwege, habe sein Einsatz für die Menschen ohne Stimme seine Wurzeln in der Familiengeschichte. Als er seinen Vater eines Tages bei Krankenbesuchen begleitete, habe er ihn gefragt, „Vater, du betest für die Kranken, warum gibst Du ihnen keine Medizin?” Darauf antwortete sein Vater: „Ich bin kein Arzt”.
Dies war der Beginn seiner Berufung. Er studierte Kindermedizin, um dabei zu helfen, die Kindersterblichkeit zu senken. „Doch in meinem ersten Jahr medizinischer Praxis habe ich die hohe Müttersterblichkeit entdeckt.”
Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung und Frauenfeindlichkeit seien kein allein afrikanisches Problem, sondern weltweit zu finden, so der kongolesische Arzt. Mukwege sprach über den nicht endenden Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo, der massive Verwüstung verursache, „motiviert durch den Willen, kongolesische Bodenschätze zu kontrollieren.”
„Dieser Krieg, in den ursprünglich sieben afrikanische Staaten verwickelt waren, und als großer afrikanischer Krieg bezeichnet wird, hat weder ethnische Gründe noch zieht er religiöse Fanatiker an”, so Mukwege. „Es ist ein ökonomischer Krieg, der schon mehr als fünf Millionen Todesopfer gefordert hat.” Außerdem seien zehntausende Frauen vergewaltigt worden, so Mukwege.
Der Arzt sagte, seine erste Reaktion auf „diese Barbarei” sei der Versuch gewesen, die Frauen, die Opfer physischer und psychischer Gewalt geworden sind, zu behandeln.
Opfer unter Kindern
Als sich unter den Opfern jedoch zunehmend die Kinder befanden, die aus diesen Vergewaltigungen geboren worden waren und teilweise schon als Kleinkinder selbst verletzt worden waren „mussten wir öffentlich diese unsagbare Barbarei anklagen. Dies ist der Grund, warum ich jetzt bei Ihnen bin. “Wie können wir eine solche Barbarei im 21. Jahrhundert akzeptieren?”, fragte der Arzt.
„Das ist der Grund, warum ich ab und an den Operationssaal verlasse, um der Welt das unbeschreibliche Leid unserer Mitmenschen zu schildern, unserer Schwestern, Mütter und auch Töchter.”
Die systematischen Massenvergewaltigungen seien eine Kriegswaffe, so Mukwege, gezielt eingesetzt und Gegner zu erniedrigen. Er sagte, man habe international den Gebrauch von Chemiewaffen geächtet, aber es gebe bisher kein vergleichbares Verbot gegen den Einsatz sexualisierter Gewalt.
Es erfülle ihn mit großer Freude, bei der Vollversammlung zu Gast zu sein, weil diese Millionen Christen in der ganzen Welt repräsentiere. Der LWB vertritt 74 Millionen LutheranerInnen aus 98 Ländern.
„Ich bin überzeugt, dass ich bei Ihnen auf offene Ohren stoße und dass Sie offene Worte finden, um die Schreie der Opfer von sexueller Gewalt vernehmbar zu machen, damit die Täter dieser Verbrechen nie mehr straffrei ausgehen.”
„Theologie der Wertschätzung der Frau”
Wenn der Glaube „allein theoretisch und abgehoben von der Praxis” praktiziert werde, „können wir unsere Mission, die uns von Christus übertragen worden ist nicht erfüllen“, so das engagierte Kirchenmitglied. Es sei notwendig, „über die Glaubwürdigkeit des Evangeliums im 21. Jahrhundert nachzudenken, um die Gnade zu befreien, die wir erhalten haben. Machen wir die Kirche zu einem Licht, das in dieser Dunkelheit scheint, durch unser Engagement für Gerechtigkeit, Wahrheit, Gesetze, Freiheit, kurz: für die Würde von Mann und Frau.”
Das sei der Grund, warum „frauenfeindliche Theologie”, die einen geringeren Status der Frau gegenüber dem Mann betonen, beleidige und letztendlich Gewalt gegen Frauen rechtfertige, „korrigiert und ersetzt werden durch eine Theologie der Wertschätzung der Frauen. Diese Arbeit kann nicht früh beginnen, am besten in der Katechese für die Kinder”, findet der Arzt.
„Die Mission der Kirche ist eine prophetische Mission, um das Dunkel zu erhellen und dem Bösen abzuschwören. Es ist unsere Pflicht, in allen Schichten unserer Gesellschaft um Gesetze und Mechanismen zu kämpfen, welche die Erhaltung und volle Rechte für die Frauen garantieren.”