Verlust der Kirche inspiriert heute Petersburger Lutheraner

14 May 2017
„Dadurch, dass wir ein Gebäude, also Materielles verloren haben, sind wir der Tiefe unseres Glaubens nähergekommen“, sagt Vera Tkach aus Russland. Foto: LWB/ Albin Hillert
„Dadurch, dass wir ein Gebäude, also Materielles verloren haben, sind wir der Tiefe unseres Glaubens nähergekommen“, sagt Vera Tkach aus Russland. Foto: LWB/ Albin Hillert
Zeugnis für die Region Mittel- und Osteuropa

Vera Tkach, Jugendvorsitzende der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten, und Delegierte bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds, sprach am Sonntag bei der Gedenkveranstaltung zum 500. Reformationsjubiläum im Sam Nujoma-Stadion in Windhoek über die Besatzung von St. Petersburg im Zweiten Weltkrieg und den Verlust der St. Marien-Kirche.

„Wir hatten eine sehr schöne Kirche in St. Petersburg, im Westen von Russland. Sie wurde von Lutheranern gebaut, die sich im 18. Jahrhundert in der Stadt niedergelassen hatten und hier ihren Glauben lebten“, sagte Tkach in ihrem Statement, einem von insgesamt sieben Zeugnissen aus den Regionen des Lutherischen Weltbundes.

Nazideutschland besetzte St. Petersburg von 1941 bis 1944. Millionen Einwohner waren während dieser Besatzungszeit der Kälte ausgesetzt und litten bitteren Hunger. „Was würden Christinnen und Christen in solch einer Situation tun? Auf der einen Seite gibt es da ein wunderschönes Gebäude der Gemeinde, ein Raum für Gottesdienste. Auf der anderen Seite litten die Menschen unter dem Krieg und der Kälte. Jeder litt, Gläubige und Atheisten, Verfolgte und Verfolger“, sagte Tkach.

Die Menschen bauten ihre Kirche ab „und nutzten das Holz, das einst zum Bau des Gebäudes genommen worden war, um Feuer zu machen und damit die frierende Bevölkerung am Leben zu erhalten.“

Wenn wir heute an die St. Marien-Kirche denken, sind wir dankbar. „Die Zeugnisse unserer Vorfahren inspirieren uns. Es stimmt, wir haben eine Kirche verloren. Viel tragischer ist aber, dass so viele Menschen ihr Leben geben mussten während dieser schrecklichen Besatzungszeit. Dadurch, dass wir ein Gebäude, also Materielles verloren haben, sind wir der Tiefe unseres Glaubens nähergekommen – in der Dreieinigkeit Gottes, der die Welt so liebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, so dass alle, die an ihn glauben, nicht sterben, sondern das ewige Leben haben“, sagte Tkach.

LWF/Peter Kenny, deutschsprachige Version von Solveig Grahl

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