WINDHUK, Namibia, 10. Mai 2017 – Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Dr. Munib A. Younan, ermutigte heute die Mitglieder der weltweiten Kirchengemeinschaft, Luthers Streben nach Reform, Wiederaufbau und Neugestaltung der Kirche in einem Geist der Umkehr und der Treue zum Evangelium Jesu Christi aufzunehmen.
Am Eröffnungstag der Zwölften Vollversammlung des LWB, die von 10. bis 16. Mai in der namibischen Hauptstadt Windhuk stattfindet, sagte Younan den Teilnehmenden, dass es wichtig sei, sich an die Geschichte der Reformation im 16. Jahrhundert und an die Männer und Frauen, die sie möglich gemacht haben, zu erinnern: „Aber es ist auch unbedingt notwendig, dass wir den Geist der Frische und Freiheit suchen, mit dem der Heilige Geist die Menschen damals bewegte und auch heute noch bewegt.“
Younans Ansprache galt dem Vollversammlungsthema „Befreit durch Gottes Gnade“, das auch das Thema des weltweiten lutherischen Reformationsgedenkens kommenden Sonntag im Sam Nujoma-Stadion sein wird. Der LWB-Präsident hob einige Herausforderungen der heutigen Welt hervor und sprach darüber, wie die Kirchengemeinschaft damit umgehen könnte.
Freiheit innerhalb von Gemeinschaft und in Communio
„Wir sind berufen, der Kraft des Heiligen Geistes zu wirken, die an den Rändern der Welt wirkt. Wir sind berufen zu verkünden, dass Gott die Schwachen und Verurteilten, die Verratenen und die unter Besatzung Lebenden, und all jene nicht vergisst, die von den Zentren weltlicher Macht vergessen werden“, sagte Younan, der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL).
Die Kirchen seien dazu aufgerufen, einen Geist der Befreiung zu leben, darunter der Freiheit, einander schwierige Fragen zu stellen. „Dass wir innerhalb unserer Kirchengemeinschaft in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander stehen, erinnert uns daran, dass solches Hinterfragen keine persönliche, individuelle Übung ist”, fügte er hinzu. „Vielmehr fragen und prüfen wir innerhalb von Gemeinschaft und in Communio.“
Unterwegs zu einem ökumenischen Frühling
Das Gemeinsame katholisch-lutherische Reformationsgedenken in Lund und Malmö (Schweden) im Oktober 2016 sei von tiefgreifender Bedeutung für die ökumenische Bewegung gewesen und habe den Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft gewiesen, sagte Younan über die historischen Versöhnungsprozesse, an denen der LWB beteiligt ist. Er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass das gemeinsame Gebet und die gemeinsame Mission bei diesem Ereignis zusammen mit vielen anderen Bewegungen im lutherisch-katholischen Dialog der vergangenen Jahrzehnte „zu weiteren Durchbrüchen eines ökumenischen Frühlings führen“ wird.
Die gemeinsame Erklärung, die er mit Papst Franziskus unterzeichnet habe, gebe ihm Hoffnung für die weitere Arbeit an Fragen, in denen die beiden Dialogpartner noch nicht übereinstimmen, sagte der LWB-Präsident. Dies betreffe Ekklesiologie, Amt und Abendmahl. Er sprach von seiner starken Überzeugung, dass „der Tisch der Großzügigkeit Christi“ nicht auf der christlichen Tradition des einzelnen basiere, und ermutigte die Kirchengemeinschaft, den Dialog fortzusetzen und damit Christi Ruf „zu einer Taufe und einem Abendmahlstisch“ zu folgen.
Die Führungsrolle des LWB in einer von religiöser Vielfalt geprägten Welt
Im Geiste der ecclesia semper reformanda – der sich ständig reformierenden Kirche – ermutigte Younan die lutherischen Delegierten, „Einwände gegen Luther“ zu erheben, auch wenn sie seine deutliche und klare Theologie der Rechtfertigung aus Gnade durch den Glauben dankbar annähmen. Genau wie der LWB bedeutende Schritte unternommen habe, um Luthers Verurteilungen der katholischen Kirche aufzuheben, und seine Aussagen gegen Menschen jüdischen Glaubens und gegen das Judentum in der Erklärung der LWB-Vollversammlung 1984 verworfen habe, so solle die Kirchengemeinschaft sich auch von seinen Aussagen zum Islam und seinen Angehörigen distanzieren, meinte der Präsident.
Der ELCJHL-Bischof sagte, ein solcher selbstkritischer Ansatz könne einen Beitrag leisten im Kampf gegen die Legitimation von religiöser Ausgrenzung und religiösem Extremismus, die sich auf fehlgeleitete Aussagen der einen oder anderen Tradition– sei es des Buddhismus, des Christentums, des Hinduismus, des Islam oder des Judentums – stützten.
Versöhnung und Heilung der Erinnerungen
Younan dankte dem Vereinten Kirchenrat der namibischen evangelisch-lutherischen Kirchen (UCC-NELC) für seine gastfreundliche Aufnahme der Zwölften Vollversammlung. Er äußerte sich auch anerkennend zum Beitrag, den die lutherischen Kirchen Namibias zum Kampf des namibischen Volkes um Unabhängigkeit und zur Förderung der Einheit geleistet haben.
Der LWB-Präsident erwähnte auch das unlängst von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlichte Statement, in dem sich der protestantische Dachverband den Namibiern und Gott zu den unvertretbaren deutschen Kolonialverbrechen bekennt und um Vergebung bittet. Er bot die Unterstützung des LWB für Namibias Versöhnungsprozess mit Deutschland an und betonte die Notwendigkeit, Erinnerungen an vergangene Ungerechtigkeiten anzuerkennen und zu akzeptieren, damit Heilung möglich wird.
Dankbarkeit
Am Ende seiner siebenjährigen Amtszeit als Präsident dankte Younan dem LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. Martin Junge sowie dem Gremium der leitenden AmtsträgerInnen und allen Kirchenleitenden weltweit, die ihn unterstützt haben.
„Ich danke Ihnen, dass Sie mir erlaubt haben, unsere Kirchengemeinschaft zu leiten.“